Der Pflanzenversteher

Eric Allan beschäftigt sich als Biologe mit den grossen Fragen der Biodiversität. Wie kommt Biodiversität zustande, und wie verändert sie sich mit Blick auf den Global Change und den Klimawandel?

In der Berner Gruppe für Community Ecology hat Teambildung nichts mit Bowling oder Karaoke zu tun. Eric Allan führt seine Leute lieber zum Pilzsuchen in den Bremgartenwald vor den Toren der Stadt, oder die jungen Forscherinnen und Forscher vergnügen sich bei einem Food-Event, zu denen alle eine Spezialität aus ihrer Heimat beisteuern. Das führt zu aufregenden kulinarischen Kombinationen, denn die Forschungsgruppe mit ihren rund zehn Mitgliedern ist ausgesprochen international zusammengesetzt.

Eric Allan selbst stammt aus Schottland und ist mit einer Griechin verheiratet. Er ist in Südschottland inmitten von Wiesen und Feldern aufgewachsen, interessierte sich früh für Pflanzen und studierte Biologie an der Oxford University. Für seine Dissertation am Imperial College in London untersuchte die Auswirkung von Pflanzenfressern auf die Biodiversität von Grünland. Seither dreht sich seine Forschung um zwei Hauptfragen: Warum gibt es so viel Biodiversität? Und: Wie beeinflusst die Biodiversität die Funktionen und Leistungen von Ökosystemen?

Nach Bern gekommen ist der Schotte 2011 über Deutschland. An der Universität von Jena arbeitete er als Postdoc am «Jena Experiment», einem der am längsten andauernden Biodiversitätsexperimente Europas. Dort lernte er Markus Fischer kennen, den renommierten Berner Pflanzenökologen, der ihm in der Folge eine Postdoc-Stelle am Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern anbot. Allans Auftrag: Verfassen eines Syntheseberichts zu einem anderen grossangelegten Feldversuch, den sogenannten Exploratorien zur funktionellen Biodiversitätsforschung. Das sind drei beispielhafte grossskalige Langzeituntersuchungsgebiete in Deutschland mit insgesamt 300 Versuchsparzellen. 

Interdisziplinäre Ausrichtung macht OCCR attraktiv

2014 wurde Eric Allan in Bern Assistenzprofessor, und 2018 wählte ihn die Universitätsleitung zum ausserordentlichen Professor für Community Ecology. «Die Schweiz ist ein grossartiger Ort um Forschung zu betreiben», erklärt er, «die vielen Ressourcen und die guten Universitäten ziehen ausgezeichnete Wissenschaftler aus der ganzen Welt an.» Zum OCCR, in dem er neu mit seiner Forschungsgruppe Mitglied ist, sagt er: «Ich finde seine interdisziplinäre Ausrichtung sehr attraktiv. Es ist inspirierend, Teil eines Zentrums zu sein, in dem Forschende aus so unterschiedlichen Disziplinen gemeinsam am selben Problem arbeiten, dem Klimawandel und seinen Folgen.»

In seiner eigenen Forschung hat sich der Biodiversitätsspezialist bis heute vor allem mit dem globalen Wandel befasst, besonders mit Landnutzungsänderungen. Künftig möchte er aber auch die direkten Auswirkungen des Klimawandels auf Temperatur und Niederschlag in seine Experimente miteinbeziehen.

336 Versuchsparzellen im Langzeitvergleich

Eric Allan und sein Team arbeiten mit einer Mischung von Analysen grosser Datensets, Modellierungen und Feldversuchen. In Münchenbuchsee in der Nähe von Bern betreibt die Gruppe seit 2015 eine grosse Versuchsanlage. Auf 336 2 x 2 Meter grossen Parzellen untersuchen die Forschenden, wie Pflanzengemeinschaften auf die Anreicherung von Stickstoff reagieren und wie sich diese auf das Funktionieren von Ökosystemen auswirkt. In der Natur stammt der Stickstoffeintrag aus der Luft und von gedüngten Feldern. Im Experiment wird er manipuliert – genauso wie diverse andere Einflussfaktoren. Von der Vielfalt der Pflanzenarten, über ihre funktionelle Zusammensetzung (schnell und langsam wachsende Arten) bis zum Befall mit Pilzerregern. Zusätzlicher Stickstoff verändert die Bodenchemie und beeinflusst so das Wachstum der Pflanzen direkt. «Die Stickstoffanreicherung könnte das Ökosystem aber auch indirekt beeinflussen», umreisst Eric Allan seine Forschungsfragen. So könnte zusätzlicher Stickstoff zum Verlust der Pflanzenvielfalt führen, schnellwachsende Arten begünstigen und zu einer Zunahme von natürlichen Feinden wie Pilzerregern führen. «Deshalb manipulieren wir diese Faktoren im Experiment. Wir vergleichen die direkten Auswirkungen von Stickstoff mit indirekten Effekten, die durch Diversität, funktionale Zusammensetzung und Krankheitserregern vermittelt werden.»  

Um der Bedeutung dieser Einflussfaktor auf die Spur zu kommen, misst das «Allan Lab» eine Reihe von mit der Produktivität verbunden Ökosystemfunktionen, sowie biogeochemische Stoffkreisläufe und den Streuabbau. Aber auch die Vielfalt und der Reichtum von Pilzerreger-Gemeinschaften wird überwacht. Aus der Analyse dieser Daten lässt sich unter anderem auch nachvollziehen, wie effizient Pflanzen Wasser nutzen. «Wir können sehen», so Eric Allan, «wie gut eine Pflanzengemeinschaft mit Dürren zurechtkommt.» Da liegen neue Forschungsfragen auf der Hand: «Es wäre spannend zu sehen, wie Pflanzengemeinschaften auf Treiber wie den Klimawandel interagieren», sagt Eric Allan. Am Interesse für gemeinsame Projekte mit OCCR-Forschenden aus anderen Disziplinen jedenfalls mangelt es dem Spezialisten für Community Ecology nicht.

(April 2020)