Das erfolgreiche Doppeltalent

Markus Grimmer hat unter den Studierenden der Graduate School of Climate Sciences den besten Abschluss seines Jahrgangs erzielt und wurde für seine Leistung mit einem «2019 Oeschger Young Scientist’s Prize» ausgezeichnet. Nun arbeitet er als Doktorand an der Universität Bern.

Physik? Geschichte? Oder gleich beides? Im Leben von Markus Grimmer gab es auf diese Fragen bisher nie eine eindeutige Antwort – gestört hat ihn das nicht. Wieso auch, hat er doch immer Wege gefunden, seine beiden grossen Interessengebiete parallel zu verfolgen oder gar miteinander zu verbinden. Zuletzt in seinem soeben abgeschlossenen Klimamaster. Zuvor hatte er einen Bachelor in Geschichte gemacht, mit Physik im Nebenfach. Ein Umstand, der sich für die zahlreichen naturwissenschaftlichen Kurse, die er während des Klimamasters belegte, als durchaus hilfreich erweisen sollte. «Ich hatte dadurch eine solide Basis. Ohne diese Vorkenntnisse begreift man zwar die klimatischen Prozesse, kann aber nicht hinter die Formeln sehen, die man anzuwenden lernt.»

Im Rückblick scheint der multidisziplinär ausgerichtete Klimamaster dem Doppeltalent wie auf den Leib geschnitten. Markus Grimmer hatte zwar schon auf dem Gymnasium Physik und Mathematik als Schwerpunktfächer gewählt und Geschichte als Ergänzung, und auch in den ersten Studienjahren hatte er seinen Wissensdurst in beiden Bereichen gestillt, bloss: «Ich sah lange keinen verbindenden Pol. Ich fand Elementarteilchen spannend und antike Geschichte faszinierend – doch erst als ich begann, Vorlesungen in Klima- und Umweltgeschichte zu besuchen, realisierte ich, dass sich diese beiden Interessen in einem Klimamaster verbinden liessen.»

Mit eiserner Disziplin Wettertagebücher transkribiert

Der Oeschger Young Scientist-Preisträger hat sich in seinem Abschluss auf Klimageschichte spezialisiert. Für seine Masterarbeit hat er mit bisher kaum genutzten historischen Quellen gearbeitet, den meteorologischen Tagebüchern eines Bündner Patriziers aus dem 18. Jahrhundert. «Aus Sicht seiner einflussreichen Familie war Johann Rudolf von Salis-Marschlins wohl ein Versager», vermutet der Klimahistoriker, «er suchte keinen weltlichen Ruhm, sondern kümmerte sich um das Landgut der Familie und betrieb Naturbeobachtungen.» Doch das tat er mit grosser Akribie. 40 Jahre lang zeichnete von Salis Tag für Tag Messdaten und persönliche Wetterbeobachtungen auf. Tausende von Seiten in einer Schrift, die heutige Leser erst einmal entziffern müssen. «Ich merkte schon beim Abfotografieren, dass ich das gar nicht lesen konnte», sagt Markus Grimmer.

Mit eiserner Disziplin hat er im Rahmen seiner Masterarbeit 20 Jahre dieser Aufzeichnungen transkribiert – acht Monate lang, 40 Seiten pro Tag. Dann hat er aus diesem Material Temperatur- und Druckmessreihen erstellt und sie anschliessend im Vergleich mit anderen Messreihen korrigiert. Ideen, wie sich dieser Datenschatz sonst noch auswerten liesse, hätte Markus Grimmer zuhauf, doch für den Moment hat er die Klimageschichte auf Eis gelegt – im wahrsten Sinne des Wortes.

Soeben hat er in der Forschungsgruppe für paleoklimatische und biogeochemische Untersuchungen an Eisbohrkernen des Oeschger-Zentrums ein Doktorat begonnen. Sein Forschungsprojekt: Er soll mit Proben aus einem legendären Eisbohrkern, anhand von dem an der Uni Bern die CO2-Konzentration in der Atmosphäre über die vergangenen 800'000 Jahre rekonstruiert wurden, neues Wissen generieren. Markus Grimmer wird in den kommenden drei Jahren Edelgase aus dem Eis extrahieren und daraus die mittlere Ozeantemperatur für besonders aufschlussreiche Phasen der Klimageschichte rekonstruieren. «Zur Abwechslung», sagt er lachend, «konzentriere ich mich nun mal ganz auf die Physik, die Geschichte kommt später bestimmt wieder zum Zug.»

(Februar 2020)