Wie das Bergfieber eine wissenschaftliche Karriere befeuert

Maria Leunda, seit kurzem Postdoktorandin am OCCR, hat den prestigeträchtigen Harper Prize für junge Forschende im Feld der Ökologie erhalten. Gewonnen hat sie die Auszeichnung mit einer Publikation zur Vegetationsdynamik in den Pyrenäen, die sich auf Daten aus einer Eishöhle stützt.

«Die Berge sind mein Leben», sagt Maria Leunda. Und man glaubt ihr aufs Wort, auch wenn sie heute die meiste Zeit im Labor und vor dem Computer verbringt. Doch die Berge spielten im Leben der Spanierin schon früh eine wichtige Rolle. Aufgewachsen in einer Kleinstadt im Baskenland als Tochter begeisterter Berggänger verbrachte sie ihre ganze Freizeit im Freien. «Ich liebte es Pflanzen und Steine zu entdecken», erzählt sie, «und ich wollte etwas mit Bezug zur Natur studieren und verstehen, wie diese Landschaft, die mich so geprägt hat, entstanden ist.» Also entschied sie sich für Umweltnaturwissenschaften und machte schliesslich einen Master und eine Dissertation in Geologie.

Den Bergen ist Maria Leunda treu geblieben. Seit einem halben Jahr lebt und arbeitet sie als Postdoktorandin in Bern – «Hier habe ich das Gefühl, zur gleichen Zeit in einer Stadt und in der Natur zu leben.» - und ist, so oft es geht, zu Fuss oder mit den Tourenski in den Alpen unterwegs.

Begehrte Auszeichnung für junge Forschende

Und auch ihren bisher grössten wissenschaftlichen Erfolg verdankt sie den Bergen. Besser gesagt einer Eishöhle im Cotiella Massiv in den Zentralpyrenäen. Die Überreste von Pollen und pflanzlichen Makrofossilien, die im Eis dieser Höhle gespeicherten waren, dienten als Basis für eine Rekonstruktion der Dynamik der Waldgrenze in den Pyrenäen. Eine Studie, die Maria Leunda den Harper Prize 2019 eingetragen hat. Diese prestigeträchtige Auszeichnung geht an Forschende am Anfang ihrer Karriere für die beste Publikation im «Journal of Ecology», einer von der British Ecological Society herausgegeben Fachzeitschrift. «Diese starken und überzeugenden Resultate könnten aufschlussreich für die künftigen Klimaveränderungen in der Region sein», schrieb die Jury und lobte den vielfältigen Forschungsansatz sowie die breitangelegte internationale Zusammenarbeit. «Der Preis müsste eigentlich nicht an mich allein gehen», sagt Maria Leunda in ihrer bescheidenen Art, «sondern an eine grosse Gruppe von Leuten. Er ist eine Auszeichnung für die ganze Paläoökologie-Community.»

Dass die Paläoökologin überhaupt vom aussergewöhnlichen Umweltarchiv erfuhr, das die als Armeña A294 bezeichnete Eishöhle birgt, war ein Zufall. Entdeckt wurde der Ort bereits 1978 von lokalen Höhlenforschern, 2008 gab es eine wissenschaftliche Untersuchung über die Dynamik des im Berg eingeschlossenen Eises, und dann wurde die Doktorandin Maria Leunda über ein paar Ecken angefragt, ob sie sich vielleicht für die Höhle interessiere. Eigentlich war sie zu dieser Zeit daran, Informationen aus Seesedimenten für ihre Dissertation über Vegetations- und Feuerdynamik in grosser Höhe in den Pyrenäen auszuwerten. Doch kurzentschlossen startete sie mit den aus dem Eis gewonnen Daten ein paralleles Forschungsprojekt.

Die auf 2238 m ü. M. gelegene Höhle habe sich als «ökologischer Schatz» erwiesen, so Maria Leunda. Das Eis ist zwischen 5700 und 2200 Jahre alt, und im Gegensatz zum Eis der meisten anderen Höhlen ist darin vielfältiges organisches Material präserviert. «Die Identifikation dieser Pflanzen hat uns erlaubt, die langzeitliche Vegetationsdynamik alpiner Ökosysteme zu untersuchen», erklärt Maria Leunda. «Dabei spielten sowohl die klimatischen Veränderungen eine Rolle wie die Landnutzung.» Übrigens: Armeña A294 ist weltweit die älteste bekannte Firneishöhle. Und Studien, die diese Art von Umweltarchiv nutzen, sind extrem selten. Bislang existierte nur eine einzige derartige Arbeit aus den Karpaten.

Auf der Suche nach neuen Herausforderungen

Es gibt nicht so viele Paläoökologinnen und -ökologen, die für ihre Studien unterschiedliche natürliche Umweltarchive nutzen. Doch Maria Leunda findet gerade die Kombination von verschiedenen Informationsquellen und Vorgehensweisen spannend: «Wenn man die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln angeht, braucht man auch Wissen aus unterschiedlichen Disziplinen – das fordert mich heraus.»

Und nun stellt sich die junge Spanierin gleich noch einer Herausforderung. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt in der Paläoökologie-Gruppe des OCCR ist genetisches Wissen gefragt. Ziel des Vorhabens ist, anhand alter DNA, die in prähistorischen Rückständen von Nadeln und Blättern enthalten ist, herauszufinden, wie die genetische Biodiversität durch den Klimawandel beeinflusst wurde. So soll sich zeigen, wie resilient verschiedene Baumarten auf das klimatische Auf und Ab seit der letzten Eiszeit reagiert haben. «Mit Hilfe neuer Techniken versuchen wir, die schlecht erhaltene alte DNA zu extrahieren», sagt Maria Leuna. Die Berner Forschenden arbeiten dazu mit einem spezialisierten Labor der Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL zusammen.

Und wie sieht die Postdoktorandin ihre berufliche Zukunft, strebt sie eine akademische Karriere an? «Natürlich würde ich gerne in der Forschung weiterarbeiten», sagt Maria Leunda, «aber ich bin realistisch und weiss, wie schwierig das ist. Doch ich werde mein bestes dafür geben.» Sicher ist, dass sich die Preisträgerin des Harper Preises auch in Zukunft mit dem Armeña A294-Schatz befassen möchte. Bei ihren jährlichen Besuchen im Cotiella Massiv stellt sie mit Besorgnis fest, wie schnell das Eis in der Höhle schmilzt. Die im Eis gespeicherten Umweltinformationen, so Maria Leunda, drohten ungenutzt verloren zu gehen: «Entweder macht man diese Studien heute – oder nie.»

(Mai 2020)