Die fleissige Überfliegerin

Heather Corden hat unter den Studierenden der Graduate School of Climate Sciences den besten Abschluss ihres Jahrgangs erzielt und wurde für ihre Leistung mit einem «2023 Oeschger Young Scientist’s Prize» ausgezeichnet. Heute ist sie Teil eines grossen Forschungsprojekts in der Antarktis.

Diese junge Engländerin mag Herausforderungen. Ihr Masterstudium etwa wollte sie in einem deutschsprachigen Land absolvieren, weil sie in der Mittelschule zuhause im englischen Stockport Deutsch gelernt hatte. Und als sie dann in Bern studierte, unterrichtete sie als Assistentin Medizinstudierende in Physik – auf Deutsch notabene.

Heather Corden meistert Herausforderungen mit Bravour: Ihren Master in Klimawissenschaften schloss sie mit einem unglaublichen Notendurschnitt von 5.98 ab, so etwas hatte es in der Graduate School of Climate Sciences der Universität Bern noch nie gegeben. Ihre Leistungen fallen der Ausnahmestudentin allerdings nicht etwa in den Schoss. «Ich musste hart arbeiten», gesteht sie, «ich habe viele Vorlesungen belegt, darunter auch solche an der ETH. Das war viel Arbeit.» Viel Arbeit also und dazu kommt, dass Heather den Dingen auf den Grund gehen will. «Ich interessiere mich für Atmosphäre und Wetter und will verstehen, wie Prozesse funktionieren.»

Von Cambridge nach Bern

Aufgewachsen ist die 1999 geborene Gewinnerin des «2023 Oeschger Young Scientist’s Prize» in der Nähe von Manchester. Ihre Eltern waren beide Ingenieure, und den legändern Chemiebaukasten, mit dem schon Kinder auf den Geschmack des Experimentierens kommen, gab es in ihrer Kindheit tatsächlich. Schliesslich führte das Interesse für Naturwissenschaften Heather an die Universität Cambridge, wo sie einen Bachelorabschluss in Physik machte – schon da wurde sie übrigens für ihre akademischen Leistung mit Preisen ausgezeichnet. Zudem tat sie sich als Captain der OL-Mannschaft der Universität hervor.

Dass sie sich entschied, an der Universität Bern einen Klimamaster zu machen, ist nicht zuletzt dem Zufall geschuldet – am Anfang stand eine Google-Recherche, und dann interessierte sie das breite Fächerangebot. Was hat Heather Corden vom Studiengang in Klimawissenschaften erwartet? Kurzes Nachdenken. Die frischgebackene Klimawissenschaftlerin ist jemand, der seine Worte mit Bedacht wählt, dann aber gleich auf den Punkt kommt. «Ich habe mir das ziemlich interdisziplinär vorgestellt – und so war’s tatsächlich. Und ziemlich international - und so war’s.»

Die interdisziplinäre Ausrichtung fand die Masterstudentin zwar interessant, und sie hat auch eine Vorlesung in Klimaökonomie besucht, doch spezialisiert hat sie sich schliesslich doch in Physik, genauer in Atmosphärenwissenschaft. Ihre Masterarbeit machte sie innerhalb der Feldkampagne des ETH-Projekts CLOUDLAB, das Wolken als natürliches Labor nutzt, um Eisbildung zu erforschen. Heather allerdings interessierte sich für die atmosphärische Grenzschicht, den unteren Teil der Atmosphäre. Die Höhe dieser Schicht ist abhängig von Strahlung und Tageszeit. Mit Hilfe von Messdaten, unter anderem von Drohnen, entwickelte sie einen Algorithmus, mit dem sich die Höhe Grenzschicht automatisch erkennen lässt.

Niederschläge messen in der Antarktis

Innovative Messtechnologie spielt auch bei der Dissertationan eine wichtige Rolle, an der die junge Forscherin mittlerweile an der EPFL in Lausanne arbeitet. Ihre Studie ist Teil des Projekts Atmospheric WAter Cycle over Antarctica – AWACA, das mit einem Synergy Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) unterstützt wird. Bei der Arbeit von Heather Corden geht es darum, in einer vierjährigen Kampagne mit Hilfe von Wetterradaren den Niederschlag zu messen – und zwar nicht an einem einzelnen Punkt, sondern entlang eines 1'100 km langen Transekts von der Küste auf das antarktische Plateau. Das ist wissenschaftliches Neuland.

Im kommenden Herbst wird Heather Teil der Expedition sein, welche die Messgeräte in der unwirtlichen Antarktis installiert, wo an der Küste Böen mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde vorkommen und die Temperatur im Landesinnern im Winter auf -80 Grad fällt. «Mich fasziniert Feldarbeit», sagt die Forscherin voller Vorfreude, «das ist einer der Gründe, weshalb ich mich für diese Stelle beworben habe.» Als grösste Schwierigkeit bei ihrem Projekt sieht sie die Unmenge von Daten, die es im Lauf des Projekts sinnvoll zu interpretieren gebe. Kopfzerbrechen macht ihr auch die Frage, ob die Messinstrumente bei den widrigen Bedingungen tatsächlich über Monate hinweg selbständig funktionieren. Bei einem Test ist kürzlich eines der Instrumente bereits vor dem Fenster ihres Bureaus in Lausanne ausgestiegen. Mit einem Wort: An Herausforderung wird es der jungen Engländerin auch in Zukunft nicht fehlen.

(Februar 2024)