„Ich gelte wohl als persönlich Erfolgsgeschichte“

31. August 2016

Der amerikanische Baumringspezialist David Frank kam in die Schweiz, um ein Doktorat zu machen. Er blieb für beinahe 15 Jahre und wurde schliesslich Leiter der OCCR Forschungsgruppe für Dendroklimatologie an der Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Nun zieht er in die USA zurück und wird Leiter des ältesten und grössten Labors für Baumringforschung in der Welt, dem Laboratory of Tree-Ring Research der University of Arizona in Tucson. Das ist nicht nur für David Frank ein grosser Erfolg, sondern auch für das Oeschger-Zentrum.

 

David Frank, welche Rolle werden Sie am Tree-Ring Lab in Tucson genau spielen?

Ich habe eine Stelle als Direktor und Professor angenommen. Das ist ein sehr spannender Wandel für mich, der neue Verpflichtungen und neue Ziele mit sich bringt. Die WSL ist stark auf Forschung ausgerichtet, an der University of Arizona bin ich für eine ganze Palette von Dingen Bereichen zuständig: von der Forschung über die Öffentlichkeitsarbeit, bis zur Lehre und der Repräsentation des Labors.

Haben Sie sich für dieses Amt beworben?

Das ist das erste Mal seit vielen, vielen Jahren, dass ich mich beworben habe. Ich wurde mehrmals auf diese offene Stelle aufmerksam gemacht und dachte, das könnte für beide Seiten passen.

Klimaforschungsinstitutionen in den USA geraten immer wieder unter politischen Druck. War des Tucson Tree Lab auch bereits Zielscheibe solcher Angriffe?

Die Klimaforschung ganz allgemein – und nicht nur in den USA oder Grossbritanien – ist zunehmend Teil einer öffentlichen Debatte geworden. Auch das Labor in Tucson hat solche Diskussionen erlebt. Aber andrerseits gibt es in Tucson Forscher, denen es gelang, ausgesprochen gut zu zeigen, welchen Wert lange Datenreihen beispielsweise für die Bewirtschaftung von Wasserressourcen hat. Sie haben Niederschläge und Abfluss mit Hilfe von Baumringen rekonstruiert, um den Wassermanagern sehr lange Datensätze zur Variabilität und Wassermengen zur Verfügung zu stellen. Das ist das Gegenstück zur politischen Auseinandersetzung. Die Leute brauchen diese Daten und verlassen sich auf sich sie, um bessere Bewirtschaftungspläne zu entwickeln.

Führt das zu einer besseren Verankerung der Klimaforschung in der Gesellschaft?

Ja, diese Wechselwirkung ist ein wichtiger Aspekt der Arbeit in. Die Wassermanager verstehen heute genug von den Rekonstruktionen, um sich auf sie verlassen zu können, und die Bauringleute lernen, welche Arten von Daten die Manager brauchen. Ich denke, das ist wirklich ein sehr erfolgreiches Beispiel dafür wie wichtig Langzeitklimadaten für die Entscheidungsfindung sind.

Zurück in die Schweiz. Sie kamen 2002 hierhin um ein Doktorat zu machen. Weshalb haben Sie dazu die WSL und die Universität Bern gewählt?

Ich hatte meinen Master an der State University of New York in Buffalo gemacht und dann ein paar Jahre als Techniker am Lamont Earth Observatory gearbeitet - einem anderen Zentrum der Baumringforschung -, wo ich mit dem Messen von Baumringen begann. Mit den Jahren nahmen meine Aufgaben bis zu einem Punkt zu, an dem ich mir sagte, ok jetzt will ich ein Doktorat machen. Ich wollte die Baumringforschung aus einer anderen Perspektive kennenlernen, und ich wollte in einer grösseren Institution arbeiten. Ich zog das Labor in Tucson in Betracht, die Climate Research Unit an der University of East Anglia in England und die WSL. Ich kann mich erinnern, dass ich gedacht habe, in der Schweiz zu leben, wäre für mich als Amerikaner auch eine kulturelle Erfahrung.

Als Doktorand waren Sie Teil des NFS Klima und als Forschungsgruppenleiter Mitglied des Oeschger-Zentrums. Wie haben Sie diese Strukturen und Institutionen erlebt?

Ich habe das Oeschger-Zentrum und den NFS als grossartiges Netzwerk empfunden. Für einen Doktoranden war das eine ausgezeichnete Gemeinschaft, in der man Erfahrungen mit anderen Studierenden austauschen konnte und auch Zugang zu Leitern verschiedener Forschungsgruppen erhielt. Die Entscheidung dieses Programm zu finanzieren war ein sehr guter Zug, die Schweizer Klimaforschungsgemeinschaft hat dadurch definitiv an internationaler Sichtbarkeit geworden. Das Oeschger-Zentrum pflegt einen guten Teil dieses Netzwerk weiter und erhält es stark. Für Leute, die direkt an der Universität Bern forschen oder mit ihr assoziiert sind, ist das ein fantastisches Netzwerk. Als Doktorand schätzte ich das spezielle Angebot im NFS Klima für Nachwuchsforschende, und nun ermuntere ich Leute meiner eigenen Forschungsgruppe die Angebote zu nutzen. Die Summer School ist eine ausgezeichnete Plattform für Leute am Beginn einer Karriere. Ich weiss nicht, wie ich das genau sagen soll, aber das  Oeschger-Zentrum ist eine sehr gut abgestimmte Maschine.

Sie haben verschiedene wissenschaftliche Publikationen zusammen mit Kollegen aus dem Oeschger-Zentrum geschrieben. Ist das eine Folge dieser engen Beziehungen?

In gewisser Hinsicht, ja. Die gemeinsamen Publikationen hatten auch mit der grossen Bandbreite an Expertise im Oeschger-Zentrum zu tun. Zu Beginn befasste ich mich mit Langzeitklimarekonstruktionen, dann bekam ich es auch mit instrumentellen Klimadaten zu tun. Später begann ich mich dafür zu interessieren, wie man Baumringdaten dazu benutzen könnte, ein paar Fragen zum terrestrischen Kohlenstoffkreislauf zu lösen. In allen diesen Bereichen habe ich wunderbar mit Kollegen aus dem OCCR zusammengearbeitet.  Kommt dazu, dass wir das Glück hatten, dass ein paar grössere, von der Schweiz oder der EU finanzierte Projekte Gruppen von der WSL und aus Bern umfassten.

Würden Sie ausländischen Studierenden empfehlen so wie Sie selbst ein Doktorat in der Schweiz zu machen?

Oh ja, unbedingt. Ich gelte wohl selbst als persönliche Erfolgsgeschichte...

...auf jeden Fall!

Für mich war es eine grossartige Erfahrung für mein Doktorat hier her zu kommen. Und schliesslich hat sich das ja als eine langfristige Karrieremöglichkeit herausgestellt. Ich habe auch ein paar Doktorierende betreuen. Dabei wurde mir bewusst, dass die Zahl von längerfristigen Stellen eher beschränkt ist. Aus diesem Grund wollte ich in meiner eigenen Gruppe nicht einfach so viele Doktoranden wie möglich haben. Ich strebte ein etwas gesünderes Gleichgewicht mit einer Mischung von Leuten in verschiedenen Karrierephasen an.

Werden Sie am Tucson Tree Ring Lab noch selber forschen können?

Ja, selber in der Forschung aktiv zu sein, ist mir wichtig. Obwohl ich weiss, dass meine Stelle viele neue Verpflichtungen mit sich bringt und mir weniger Zeit fürs Forschen bleiben wird. Was die Ausrichtung meiner Forschung angeht, möchte ich vieles von dem weiteführen, was ich in der Schweiz entwickelt habe. Ich finde es auch sehr aufregend neue Arten von Forschungsfragen zu identifizieren, bei denen wir Baumringdaten und Methoden anwenden könnten. Ich hoffe, die neue Umgebung und die neuen Mitarbeiter in Tucson werden auch in dieser Hinsicht zu neue Möglichkeiten eröffnen.

(Das Gespräch wurde am 27. Juli 2016 an der WSL geführt.)