Die Oeschger-Zähler erhalten einen High-Tech-Nachfolger

6. Mai 2013

Vor mehr als 50 Jahren schrieb in Bern Hans Oeschger Wissenschaftsgeschichte mit der Entwicklung eines 14C-Messgeräts zur Altersdatierung. Nun wurde an der Universität Bern ein neues 14C-Analysegerät eingeweiht. Es ist so effizient, dass sich der Klima- und Umweltforschung neue Möglichkeiten eröffnen. Die treibende Kraft hinter dem Projekt: das nach dem Pionier benannte Oeschger-Zentrum für Klimaforschung.

 

Das 14C-Labor, das der Umwelt- und Klimaphysiker Hans Oeschger aufbaute, hat entscheidend dazu beigetragen, den Ruf der Berner Klimaforschung zu begründen. Das von Oeschger Ende der 1950er Jahre entwickelte Analysegerät war derart präzise, dass sich erstmals Radioaktivität in kleinsten Mengen messen liess. Damit ermöglichte dieses Proportionalzählrohr Untersuchung von ganz neuen Umweltarchiven - darunter nicht zuletzt die Eisbohrkerne aus Grönland, mit deren Analyse und Interpretation Oeschger zu Weltruhm gelangte.

In einem feierlichen Akt wurde am 3. Mai 2013 das neue, 1,8 Millionen Franken teure Berner 14C-Labor eingeweiht: ein Beschleuniger Massenspektrometer mit diversen Peripheriegeräten. Seine Vorläufer füllten ganze Turnhallen. Die an der ETH Zürich hergestellte Mini-Version ist noch knapp so gross wie zwei Kleinwagen. Das MICADAS (MIni radioCArbon DAting System) genannte Gerät kommt mit viel kleineren Materialproben aus als die Oeschger-Zähler und ist im Handling so vereinfacht, dass damit in derselben Zeit rund zehn Mal so viele Messungen vorgenommen werden können. Genutzt werden soll MICADAS unter anderem für Altersbestimmungen, für die Überwachung von Umweltradioaktivität und zur Analyse von CO2-Emissionen.

Tausend Mal kleinere Messproben

Der Ersatz der für heutige Bedürfnisse nicht mehr effizienten ersten 14C-Messanlage war unter Berner Forschenden schon länger ein Thema. Denn zunehmend arbeiten sie mit Proben im Milligramm- oder Mikrogramm-Bereich und sind auf zahlreiche Messungen angewiesen. Was zur Folge hatte, dass sie ihre Proben in der Vergangenheit häufig in auswärtigen Labors in halb Europa analysieren lassen mussten.

Konkret wurde die Beschaffung eines neuen Geräts allerdings erst mit der Dynamik, die das Oeschger-Zentrum unter den Klima- und Umweltforschern an der Universität Bern entfachte. Wie eine Bedürfnisabklärung zeigte, sind rund ein Dutzend Forschungsgruppen bei ihren Projekten auf 14C-Messungen angewiesen - und damit stark an einer anwenderfreundlichen, effizienten und preisgünstigen neuen Messanlage interessiert. Die Arbeit dieser Forscherinnen und Forscher reicht von der Rekonstruktion der Klimageschichte, über das bessere Verständnis des Kohlenstoffkreislaufs bis zur Bestimmung von Feinstaubquellen. "Das Micadas-Projekt ist ein Paradebeispiel dafür, wie im Oeschger-Zentrums Kräfte gebündelt, Synergien genutzt und Grossprojekte realisiert werden können", sagt dessen Direktor, Martin Grosjean.

Archäologen, Pharmakologen und Kunstfälscher

An der Finanzierung der neue Anlage haben sich neben der Universität Bern auch der Schweizerische Nationalfonds und das Bundesamt für Gesundheit beteiligt, das in Bern schon bis anhin mittels 14C-Messung die radioaktive Belastung durch Atomkraftwerke und Industrieanlagen ermitteln liess. Das neue Labor steht nicht nur Forschenden des Oeschger-Zentrums offen, sondern auch allen übrigen Interessenten. Auf möglichst genaue Datierungen sind zum Beispiel Archäologen angewiesen, aber auch im Kunstbereich sind 14C-Analysen gang und gäbe. Mit ihrer Hilfe lässt sich schnell und zweifelsfrei nachweisen, ob es sich bei einem Werk um eine Fälschung handelt oder nicht. Und schliesslich spielt 14C als sogenannter Tracer auch eine zunehmend wichtigere Rolle bei der Entwicklung von Medikamenten.

Vor allem aber wird MICADAS für die Klimaforschung im Einsatz stehen. Denn wie vor genau 55 Jahren das 14C-Labor von Hans Oeschger soll die hochklassige neue Infrastruktur der Berner Klimaforschung zusätzliches Profil verleihen. "Der Zugang zu dieser Anlage macht unsere Forschungsgruppen zu attraktiven Partnern für internationale Forschungsprojekte", erklärt Sönke Szidat, der Verantwortliche für die Anlage und Spezialist für Umweltradionuklide, "dadurch wird unsere Position gestärkt und die Wettbewerbsfähigkeit der Uni Bern als Ganzes verbessert."