Der Schlüssel zum Erfolg sind Kooperationen

Die Nachwuchsforscherin Julia Gottschalk hat zwei Jahre als Postdoktorandin in Bern verbracht. Nun zieht die deutsche Geowissenschaftlerin an die Columbia University in New York weiter. Was sie am Oeschger-Zentrum besonders geschätzt hat: die inspirierenden Diskussionen über die Grenzen des eigenen Fachs hinweg.

(Bild: Simon Crowhurst)

Wer weiss, vielleicht hat es mit der Stadt zu tun, in der sie ihre ersten Schritte als Forscherin machte, dass sie schon in jungen Jahren zur akademischen Weltenbummlerin wurde. Bremen war bereits im 19. Jahrhundert von der Schifffahrt und vom Überseehandel geprägt und gilt bis heute als weltoffen. In dieser Stadt absolvierte Julia Gottschalk ein Bachelorstudium in Geowissenschaften – inklusive eines einjährigen Austauschjahres an der Staatlichen Universität St. Petersburg und am dortigen Otto-Schmidt-Labor für Polarforschung, wo sie unter anderem an einer Forschungsexpedition im Arktischen Ozean beteiligt war. Während ihres Masters in Marinen Geowissenschaften befasste sie sich dann an der Universität Bremen mit den Themen, die sie bis heute nicht mehr losgelassen haben: globaler CO2-Kreislauf, abrupte Klimaveränderungen, der Wechsel von Kalt- zu Warmzeiten und Klimamodelle.

(Bild: Jonathan Guy Wynn)

Ihre Dissertation machte Julia Gottschalk am Godwin Laboratory for Palaeoclimate Research an der University of Cambridge (UK) in einer Forschungsgruppe, die sich mit Klimawandel und der Wechselwirkung zwischen Erde, Ozean und Atmosphäre befasst. Titel ihrer Doktorarbeit: «Die Rolle des Südpolarmeers in Veränderungen atmosphärischer CO2 Konzentration in Zeiträumen von Jahrtausenden». Ermöglicht wurde die Dissertation übrigens Dank eines Cambridge-Stipendiums der Bill und Melinda Gates Stiftung, mit dem junge Forschende gefördert werden, die nicht nur akademisch brillieren, sondern sich auch für eine bessere Welt einsetzen und über «leadership potential» verfügen.

Die nächste Station auf Julia Gottschalks akademischen Lehr- und Wanderjahren: ein zweijähriger Postdoc-Aufenthalt in der Gruppe für Paläozeanograpie und marine Biogeochemie am Oeschger-Zentrum. Doch mittlerweile steht schon der nächste Umzug an. Die heute 31-jährige bricht ihre Zelte in Bern ab und schlägt sie in New York wieder auf. Ihr künftiger Arbeitsort ist das Lamont-Doherty Earth Observatory, ein Teil der Columbia University, eine knappe Busstunde von Manhattan entfernt.

(Bild: Jean Paul Vanderlinden)

Eine neue Methode zur Rekonstruktion biologischer Aktivitäten

Doch warum eigentlich ist Julia Gottschalk 2016 ans Oeschger-Zentrum gekommen? «Noch während meines Doktorats hatte mich der Leiter der Paläozeanograpie-Gruppe, Sam Jaccard, eingeladen, eine neuen Rekonstruktionsmethode von Stoffflüssen im Ozean, die am Institut für Geologie der Universität Bern neu aufgebaut wurde, für meine Dissertation zu verwenden. Daraus ist ein fünfwöchiger Forschungsaufenthalt in Bern während meines Doktorats entstanden, der schliesslich in einen Postdoc mündete.» Diese Methode, die der Experte für Sauerstoffprozesse im Ozean Sam Jaccard und seine Postdoktorandin zur Anwendung brachten, funktioniert vereinfacht gesagt so: Mit Hilfe von in Meeressedimenten eingelagerten Uran- und Thorium-Radioisotopen sollen die biologischen Aktivitäten der Vergangenheit im Ozean rekonstruiert werden. Und zwar nicht nur qualitativ, sondern quantitativ. «Ich war die Erste», erzählt Julia Gottschalk, «die das neue Verfahren zusammen mit Berner Doktorierenden getestet hat, und hochqualitative Daten erheben konnte.» Für die Finanzierung der in Bern entwickelten Postdoc-Idee bewarben sich Jaccard und Gottschalk beim Schweizerischen Nationalfonds SNF - mit Erfolg.

Was die Geowissenschaftlerin nach Bern zog, war aber nicht nur die Aussicht darauf, das neue methodische Konzept weiter nutzen zu können. In Bern hatte sie auch Zugang zu hochspezialisierter Analysetechnologie. Zum Beispiel zum MICADAS (MIni CArbon DAting System), einem 2013 in Betrieb genommenes Gerät zur 14C-Datierung, das mit extrem kleinen Materialproben auskommt.

(Bild: Lionel Jaffrès)

Doch als vielleicht grösster Gewinn sollte sich am Oeschger-Zentrum für die ambitionierte Forscherin etwas Drittes herausstellen. Die intensiven Diskussionen mit Klimamodelliererinnen und –modelierern sowie Forschenden, die an der Rekonstruktion von atmosphärischem CO2 aus Eisbohrkernen arbeiten. «Ich habe diese Zusammenarbeit über die Fachgrenzen hinweg als sehr bereichernd empfunden. Durch den offenen Austausch, wie er hier gepflegt wird, habe ich Zugang zu einer neuen Forschungs-Community gefunden, und damit zu neuen, auch unveröffentlichen Einsichten», zieht Julia Gottschalk nach zwei Jahren Bilanz.

Exklusiver Zugang zu Sedimentkernen

Konkret konnte sie mit Hilfe der neu geknüpften Kontakte etwa verschiedene Klimamodelle miteinander vergleichen. «Dabei ist mir klar geworden, dass ich die Proxy-Daten aus der Analyse von Meeressedimenten generell mit Modellen verknüpfen muss, um mehr zu verstehen.» Zwar kann vermutlich kein Modell ein tatsächliches Abbild der Vergangenheit liefern, sondern ihre Ergebnisse sind oft eher als eine Art Gedankenexperiment zu verstehen. «Doch auch diese Gedankenspiele sind wichtig, denn sie zeigen, dass im Erdsystem gewisse Prozesse prinzipiel möglich, wenn auch nicht zwingend realistisch sind.»

(Bild: Simon Crowhurst)

Wie wichtig in der Wissenschaft gute Kontakte sind, hat Julia Gottschalk in ihrer noch jungen Karriere immer wieder erlebt. Nicht zuletzt wenn es darum geht, überhaupt ans Ausgangsmaterial für ihre Rekonstruktionen zu kommen. Wer nicht an einem der wenigen Institute arbeitet, die in Lage sind, selbst Meeressedimente zu gewinnen, ist auf Beziehungen angewiesen – so wie sie Julia Gottschalk Dank ihres Doktorvaters zu einer Gruppe an der Université Paris Saclay unterhält, die Expeditionen auf dem Forschungsschiff Marion Dufresne durchführt. «Es ist ein Privileg mit so guten Sedimentkernen arbeiten zu dürfen», schwärmt sie.

Da versteht es sich von selbst, setzt die Postdoktorandin auch weiterhin auf erstklassiges Ausgangsmaterial. Für ihr Projekt am Lamont-Doherty Earth Observatory bringt sie nicht nur die Finanzierung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG mit, sondern auch zwei neue französische Sedimentkerne, sowie neues Material, das von Kollegeninnen und Kollegen am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven zur Verfügung gestellt wird. Ziel des Vorhabens ist es, zu begreifen, was während der letzten Warmzeit (etwa 115'000 bis 130,000 Jahre vor heute) genau dazu führte, dass CO2 in grossem Umfang von der Atmosphäre in den Ozean gelangte und dadurch das Ende der Warmzeit einläutete. «Welche Prozesse da in kurzen Zeiträumen, während tausend oder gar hundert Jahren, genau abliefen, wissen wir nicht», sagt Julia Gottschalk. Nun will sie mit hochaufgelösten Rekonstruktionen mithelfen, diese Wissenslücke zu schliessen. Weiterhin getreu ihrer Devise: «Der Schlüssel zum Erfolg sind Kooperationen – für die persönliche Karriere, aber auch für den wissenschaftlichen Fortschritt.»

(Februar 2018)