Der Oeschger-Zähler erhält einen High-Tech-Nachfolger

22. Dezember 2010

Vor mehr als 50 Jahren schrieb Hans Oeschger mit der Entwicklung seines 14C-Messgeräts an der Universität Bern Wissenschaftsgeschichte. Nun starten die Arbeiten zum Bau eines neuen Berner 14C-Analysegeräts, das verschiedene Forschungsgruppen gemeinsam nutzen werden. Die treibende Kraft hinter dem Projekt: das Oeschger-Zentrum.

Mit der einfachsten Lösung gab sich Hans Oeschger nie zufrieden. So dachte der Physiker nicht im Traum daran, die bestehende Technologie zu übernehmen, als er im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Bern den Auftrag erhielt, das erste Radiokarbonlabor der Schweiz aufzubauen. Er entwickelte kurzerhand ein neues Gerät. Es war so präzise, dass damit zum ersten Mal Radioaktivität in kleinsten Mengen gemessen werden konnte. Damit ermöglichte der Oeschger-Zähler, wie das Gerät künftig genannt wurde, die Untersuchung von ganz neuen Umweltarchiven – darunter nicht zuletzt die Eisbohrkerne aus Grönland, mit deren Analyse und Interpretation Oeschger zu Weltruhm gelangte. Kurz: Das 14C-Labor hat entscheiden dazu beigetragen, den Ruf der Berner Klimaforschung zu begründen.

Die geschichtsträchtige Anlage in den Tiefen des Gebäudes der Exakten Wissenschaften liefert bis heute präzise Radiokarbonmessungen bis zu Alter von über 55'000 Jahren, doch der Aufwand, den es schon nur zur Vorbereitung der Proben braucht, ist sehr hoch. Kommt dazu, dass Probemengen im Gramm-Bereich benötigt werden. Berner Forscher, die zunehmend mit Proben im Milligramm-Bereich und mit vielen Messungen arbeiten, müssen ihre Proben deshalb häufig an auswärtigen Labors in halb Europa analysieren lassen. "Das Labor kann nur noch einen Bruchteil der Messungen bewältigen, die an der Uni Bern anfallen, nicht mehr als rund 300 Proben pro Jahr", sagt Sönke Szidat, Dozent für Umweltradionuklide. Er gehört mit Kollegen aus anderen Forschungsgruppen des Oeschger-Zentrums sowie Andreas Türler vom Labor für Radio- und Umweltchemie zu den Initianten des Projekts "14C-AMS". Ziel des Vorhabens: Aufbau und Betrieb eines Beschleunigermassenspektrometers für Radiokohlenstoff an der Universität Bern. Genutzt werden soll es unter anderem für Altersbestimmungen, für die Überwachung von Umweltradioaktivität und zur Analyse von CO2-Emissionen.

Anwenderfreundlich und effizient

Nun hat das Projekt die entscheidende Hürde zu seiner Realisierung genommen: Die Finanzierung des neuen Geräts ist gesichert. Neben der Universität Bern beteiligen sich an den Kosten von 1.8 Millionen Franken auch der Schweizerische Nationalfonds und das Bundesamt für Gesundheit. Gebaut wird das MICADAS (MIni radioCArbon DAting System) genannte Gerät in Zusammenarbiet mit der ETH Zürich. Sie hat in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit der Entwicklung eines Beschleunigermassenspektrometers im Kleinformat gesammelt und gilt heute bei diesen Messgeräten als weltweit führend.

Der Ersatz der in die Jahre gekommenen Berner 14C-Messanlage war bereits länger ein Thema, doch konkret wurde die Beschaffung eines neuen Geräts erst mit der Dynamik, welche das Oeschger-Zentrum unter den Klima- und Umweltforschern an der Universität Bern entfacht hat. Wie eine Bedürfnisabklärung zeigte, sind rund ein Dutzend Forschungsgruppen bei ihren Projekten auf 14C-Messungen angewiesen und stark an einer anwenderfreundlichen, effizienten und damit preisgünstigen neuen Messanlage interessiert. Die Arbeit dieser Forscher reicht von der Rekonstruktion der Klimageschichte, über das bessere Verständnis des Kohlenstoffkreislaufs bis zur Bestimmung von Feinstaubquellen. Für Beschaffung und Betrieb des MICADAS Geräts haben sich die verschiedenen Interessenten zu einem Konsortium unter der Führung des Departements für Chemie und Biochemie zusammengeschlossen, das sich auch gemeinsam um die Finanzierung bemüht hat. "Dieses Projekt ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie Dank des Oeschger-Zentrums Kräfte gebündelt, Synergien genutzt und Grossprojekte realisiert werden können", sagt Martin Grosjean, der geschäftsführende Direktor des Oeschger-Zentrums.

Internationale Position stärken

Mit dem Bau des neuen Geräts wird Anfang 2011 in Zürich begonnen. Im Unterschied zum Vorgängermodell, das an der ETH Zürich bereits in Betrieb ist, wird MICADAS vor allem auf die Untersuchung von kleinsten Proben ausgerichtet sein. Damit werden sich die beiden einzigen 14C-Messgeräte in der Schweiz künftig bestens ergänzen. In Funktion genommen wird die Anlage Mitte 2012. Die hochklassige Infrastruktur soll der Berner Klimaforschung wie einst das 14C-Labor von Hans Oeschger zusätzliches Profil verleihen. "Der Zugang zu diesem Gerät macht die Forschungsgruppen des Konsortiums zu attraktiven Partnern für internationale Forschungsprojekte", erklärt Sönke Szidat, dessen Gruppe das MICADAS betreiben wird, "dadurch wird unsere Position gestärkt und die Wettbewerbsfähigkeit der Uni Bern als Ganzes verbessert."