Wellenreiten im Dienste der Klimaforschung

Olivia Romppainen-Martius ist die neue Assistenzprofessorin für Klimarisiken und Klimafolgenforschung am Oeschger-Zentrum. Sie befasst sich unter anderem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Starkniederschlägen in den Alpen. Finanziert wird ihre Professur von der Mobiliar Versicherung.

Ein klein wenig ist auch Olivia Romppainen-Martius an den Erfolgen der Schweizer Skinationalmannschaft beteiligt. Und das kommt so: Im Rahmen ihrer Diplomarbeit als Studentin der Erdwissenschaften an der ETH Zürich arbeitete sie an einem Computermodell mit, das zum Ziel hatte, Veränderungen im Aufbau der Schneedecke vorherzusagen. Unter anderem berechnet das Modell des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung in Davos die zu erwartenden Schneetemperaturen. Informationen, die sich die Skirennfahrer heute bei der Wahl des optimalen Rennwachses zu Nutzen machen.

Inzwischen hat sich Olivia Romppainen-Martius' wissenschaftliches Interesse längst vom Schnee und der Erdoberfläche weg verlagert – hinauf in die Troposphäre. Die Spezialistin für Klimadynamik hat ihre Dissertation zum Thema "Klimatologische Aspekte von Wellenstörungen in der Tropopause und Zusammenhänge zu extremen Wetterereignissen in Europa" verfasst. Das bessere Verständnis dieser sogenannten Rossby-Wellen hat sie auch auf ihren weiteren akademischen Stationen – zuerst als Gastforscherin an der Columbia University und anschliessend als Postdoc und Senior Scientist wieder an der ETH – beschäftigt. Als Rossby-Wellen werden grossräumige atmosphärische Bewegungen bezeichnet, mit denen sich Hoch- und Tiefdruckgebiete verlagern. Die Länge und Breite dieser Wellen beträgt mehrere tausend Kilometer.

Verbesserung von Klimamodellen dank Rossby-Wellen

Das Phänomen an sich ist länger bekannt, doch Olivia Romppainen-Martius wollte wissen, ob die Rossby-Wellen mit Starkniederschlägen in den Alpen zusammenhängen. Dazu hat sie die grössten Niederschlagsereignisse der vergangenen 30 Jahre analysiert und dabei folgende interessante Beobachtung gemacht: "Praktisch allen Starkniederschlägen", erzählt die Forscherin, "geht eine Welle voraus, die man über sechs, sieben Tage zurückverfolgen kann bis zu ihrer Entstehung über dem Pazifik. Dies ist vor allem im Herbst und Winter der Fall." Besonders interessant an dieser Erkenntnis: "Es besteht das Potenzial, solche Ereignisse gut vorherzusagen, da sich die Atmosphäre unter dem Einfluss einer Rossby-Welle weniger chaotisch verhält."

Bis anhin drehte sich Olivia Romppainen-Martius Forschungsarbeit darum, die Zusammenhänge zwischen dem Entstehen der Rossby-Wellen über dem Pazifik und den starken Regen- oder Schneefälle eine Woche später in den Alpen zu verstehen. Nun allerdings will sie ihre Erkenntnisse auch in praktische Anwendungen einfliessen lassen. Denkbar ist dies einerseits im Bereich der mittelfristigen Wetterprognosen und andererseits für die Interpretation von Klimaszenarien. Die Stärke der heutigen Modelle liegt bei Vorhersagen von globalen Durchschnittswerten insbesondere der Temperatur. Viel schwerer tun sich die Modelle allerdings damit, regionale und lokale Phänomene wie Niederschläge darzustellen. Hier möchte Olivia Romppainen-Martius mit ihrer Arbeit zu Verbesserungen beitragen und zwar mit einem Trick: "Wir wollen versuchen, über den Umweg der grossskaligen Struktur der Rossby-Wellen die Aussagen der Modelle im Niederschlagsbereich zu verbessern."

Versicherung direkt von Klimafolgen betroffen

Im Vordergrund steht für die frisch gewählte Assistenzprofessorin die Hoffnung, dereinst Starkniederschläge in den Alpen vorhersagen zu können. Hier treffen sich die wissenschaftlichen Interessen von Olivia Romppainen-Martius mit den Wünschen der Mobiliar Versicherung, welche die ausserordentliche Professur für Klimarisiken am Oeschger-Zentrum finanziert. Die Versicherungsgesellschaft siedelt ihre Forschungsförderung bewusst in der Klimafolgenforschung im Alpenraum an. Als führende Sachversichererin ist die Mobiliar unmittelbar von den Folgen des Klimawandels betroffen, insbesondere von der Zunahme der Extremereignisse. So hat die Versicherungsgesellschaft beispielsweise das Hochwasser 2005 rund 450 Millionen Franken gekostet. "Wir wollen mehr über das künftige Klima wissen, damit wir unseren Kunden den richtigen Versicherungsschutz anbieten können", betonte Urs Berger, CEO der Mobiliar, bei der Bekanntgabe des Forschungsengagements, das sich das Unternehmen in den nächsten zehn Jahren 5 Millionen Franken kosten lässt. Man erhoffe sich nicht zuletzt wertvolle Hinweise für die Prävention von Naturgefahren.

Olivia Romppainen-Martius ihrerseits ist gespannt darauf, in den kommenden Monaten die genauen Informationsbedürfnisse der Versicherungsgesellschaft zu eruieren, was die Klimafolgen betrifft. "Ich freue mich, anwendungsorientiert zu arbeiten. Dafür braucht es sowohl profunde Kenntnisse der Klimaprozesse wie gute Kommunikation mit den Anwendern unserer Forschungsergebnisse, damit wir sie auf ihre tatsächlichen Bedürfnisse ausrichten können." Aus einem früheren Projekt über die Zugbahnen von tropischen Stürmen weiss Olivia Romppainen-Martius, wie verschieden die Wünsche von unterschiedlichen Anwendern von Forschungsergebnisse sein können: Der Rückversicherer Swiss Re war vor allem an der Intensität der Hurrikane interessiert, für die Behörden hingegen – beispielsweise von New Orleans – ist die Information, ob ihre Stadt in den Einflussbereich eines Sturms zu liegen kommt sehr wichtig. "Je nachdem wofür jemand unsere Ergebnisse brauchen will, sind die Daten aussagekräftig oder nicht."

(2010)